„HASIF – Handlungsorientierte Sicherheitsforschung im Wohn- und Lebensraum“

KIRAS

Der 1. österreichische Präventionskongress „Herausforderung Gewalt – Chancen vernetzter Prävention“ in Graz veranlasste das Friedensbüro der Stadt Graz und GEFAS Steiermark – Akademie für Generationen ein Regionalprojekt zum Thema „Handlungsorientierte Sicherheitsforschung im Wohn- und Lebensraum“ zu planen, das zum Ziel hat, ein wissenschaftlich fundiertes bewohnerinnen- und gemeinwesenorientiertes, übertragbares Vorgehensmodell zur Steigerung des subjektiven Sicherheitsempfindens in Wohnsiedlungen im städtischen Raum zu entwickeln, das auf einem weiten Sicherheitsbegriff basiert.

Ausgangspunkte

Das Thema „Sicherheit“ ist in den vergangenen Jahren zunehmend zum Gegenstand öffentlichen, medialen und politischen Interesses geworden.

Im Mittelpunkt standen eine Vielfalt von politischen Vorschlägen und Aktivitäten einzelner Parteien, die weniger als Beitrag zum Erhalt der öffentlichen Sicherheit zu sehen sind, sondern vielmehr als Einflussnahme zur Verunsicherung der Menschen und insbesondere zur Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen im Interesse des Sicherheitsbedürfnisses der Wohlhabenden zu werten sind.

Die Folge waren die Propagierung von Einzelmaßnahmen wie z. B. die Installierung von mehr Überwachungskameras, die teilweise Umsetzung von Verboten und Vertreibungspraktiken die sich u.a. gegen Punks, BettlerInnen und DrogenkonsumentInnen oder MigrantInnen im öffentlichen Raum richteten und die Konzentration auf die sogenannten „sozialen Brennpunkte“ in der Stadt wie z.B. den Volksgarten, der immer wieder in Sicherheitsdebatten als Ansatzpunkt für unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Ideen und Aktivitäten herangezogen wird.

In Bezug auf die daran geknüpften Erwartungen und Versprechungen ist somit Skepsis angebracht, unter anderem auch deshalb, weil die Diskussion zum Thema Sicherheit breiter geführt und im gesamtgesellschaftlichem Kontext analysiert werden muss und zur Erstellung eines erforderlichen Gesamtkonzeptes im Kommunalbereich vor allem auch der Erforschung von Ursachen für das subjektive Sicherheitsempfinden und die Kriminalitätsfurcht der Menschen im öffentlichen Raum bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Deshalb erscheinen so manche erhofften Wirkungen von gesetzten Maßnahmen fraglich bzw. können kontraproduktiv sein oder sind sogar ausgrenzend und diskriminierend.

Sicherheitspolitische Maßnahmen müssen sich somit an alle in einer Stadt lebenden Menschen richten und dürfen nicht zu einer Fragmentierung und Segmentierung der städtischen Gesellschaft beitragen, indem eine zunehmende räumliche und soziale Polarisierung kontrollgesellschaftlich reguliert wird. Denn damit steht die Stadt als Ort der Differenz auf dem Spiel, des Heterogenen mit all seinen Widersprüchlichkeiten.

Forschungsbedarf und Zielrichtung des geplanten Projekts

Studien des Verhältnisses von subjektivem Sicherheitsgefühl zu objektiver Sicherheitslage und des Stellenwerts der Kriminalitätsfurcht stehen gegenwärtig verstärkt im Mittelpunkt der internationalen Forschung und können wesentliche Erkenntnisse zu einer erweiterten Definition von Sicherheit beitragen und ermöglichen dadurch vor allem repressiven Überlegungen entgegenzuwirken. Der Bedarf nach einer gründlichen Bestandsaufnahme mit wissenschaftlicher Begleitung auf lokaler Ebene in Kooperation mit Verantwortlichen aus unterschiedlichen Fachbereichen, aus der Politik und aller am Thema Interessierten ist steigend, da sie wichtige Anhaltspunkte zur Beurteilung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung bieten kann und grundlegend für die Entwicklung gezielter Präventionsmaßnahmen vor Ort ist.

Die Forschungstraditionen zum Bereich Sicherheitsempfinden reichen jedoch bereits in die achtziger Jahre zurück, wo Studien zur Gleichberechtigung der Frauen im öffentlichen Raum durchgeführt wurden. Im Mittelpunkt standen dabei die durch Befragungen erhobenen Angsterfahrungen von Frauen, die vor allem für die Abendund Nachtstunden an spezifischen Orten des städtischen Raumes wie z.B. Haltestellen, Parkhäuser, Unterführungen oder Parkanlagen dokumentiert wurden. Initiiert und vorangetrieben vor allem durch die Frauenbewegung und Frauenforschung wurden Lösungsvorschläge entwickelt, die auf die Reduzierung der Angstfaktoren abzielen sollten. Sie waren zumeist baulich-räumlicher Art wie z.B. Maßnahmen zur Verbesserung der Beleuchtung, das Beschneiden von Hecken oder die Umgestaltung von Haltestellen. Eine weitere Forderung wurde in vielen Städten gestellt und teilweise auch umgesetzt, nämlich die Frauen-Nacht-Taxis. Ziel war es, Frauen eine gleichberechtigte Nutzung des städtischen Raumes zu ermöglichen und ihrem partiellen Rückzug aus dem öffentlichen Raum entgegenzuwirken. Als Hintergrund für die Unsicherheitsgefühle bei Frauen wurde auf eine spezifische Bedrohung durch männliche Gewalt hingewiesen. Eine auffällige, aber bisher kaum hinterfragte Diskrepanz ergibt sich jedoch gegenwärtig aufgrund der Faktenlage dadurch, dass Frauen zum größten Teil sexueller Gewalt im privaten Umfeld ausgesetzt sind und dass bei Unsicherheiten im öffentlichen Raum nicht unbedingt eine real erhöhte Gefahr anzunehmen ist, sondern eine antizipierte erhöhte Gefahr, die jedoch als eine existierende erhöhte Gefahr wahrgenommen wird. Dieses Unsicherheitsempfinden im öffentlichen Raum wurde ab Ende der achtziger Jahre in der Folge nicht mehr ausschließlich als Reaktion von Frauen gesehen, sondern auch insbesondere für die Gruppe der älteren Menschen festgestellt. Es wurde zwar anhand von Studien in Deutschland dokumentiert, dass ältere Menschen im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung weniger häufig Opfer von Straftaten werden als Jüngere. Ihre subjektive Wahrnehmung steht jedoch zu dieser Tatsache im Widerspruch und kann ihre Lebensqualität mindern.

Aus diesen angeführten Gründen ist es deshalb erforderlich, den Differenzen zwischen objektiver Sicherheitslage und dem subjektiven Sicherheitsgefühl verstärkt nachzugehen. So ist z.B. bezogen auf den Volksgarten in Graz feststellbar, dass das subjektive Sicherheitsgefühl vielfach negativ beschrieben wird, während die objektive polizeiliche Lage dies nicht bestätigt. Eine weitgehende Übereinstimmung des subjektiven Sicherheitsgefühls und der objektiven polizeilichen Lage kann jedoch z.B. dann angenommen werden, wenn Angst vor Einbrüchen besteht, die tatsächlich in den betreffenden Gebieten stattfinden. Wenn das subjektive Sicherheitsgefühl positiv ist, die objektive polizeiliche Lage jedoch nicht, lässt sich das z.B. auf den Verkehr und eine anlassbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung beziehen, wo vielfach diese Maßnahme von der Bevölkerung als nicht angebracht wahrgenommen wird. Die negative Übereinstimmung des subjektiven Sicherheitsgefühls und der objektiven polizeilichen Lage kann dann zutreffend sein, wenn keine ausreichenden Erkenntnisse vorliegen. Diese kritische und differenzierte Auseinandersetzung mit dem Phänomen Kriminalitätsfurcht ist vor allem deshalb notwendig, weil die zunehmende Kriminalitätsfurcht durch die allgemeine Entwicklung der Kriminalität nicht erklärt werden kann. Es verdeutlicht vor allem auch, dass nicht ausschließlich die Polizei für die Aufrechterhaltung der Sicherheit verantwortlich sein kann, sondern, dass sich auch alle politischen VertreterInnen und die Bevölkerung vor Ort angesprochen fühlen müssen, ein lebenswertes Umfeld zu schaffen.

Aus diesem Grund haben wir uns in dem vorliegenden Projektantrag zum Ziel gesetzt, der Untersuchung des subjektiven Sicherheitsgefühls und möglicher Veränderungen durch die Umsetzung verschiedener geplanter aber auch mit den BewohnerInnen nach der Befragung gemeinsam zu entwickelnder Maßnahmen mit einer konkreten Überprüfung der Wirksamkeit am Ende des Projekts in den Mittelpunkt zu stellen. Das Projekt kann jedoch nur ein kleiner Beitrag zum Bereich Sicherheitsforschung sein, aber er soll verdeutlichen, dass der Problematik der Vermischung von politischem und professionellem Sicherheitsaktionismus einerseits und der Hoffnung von Teilen der Bevölkerung in unserer Stadt auf mögliche Delegierung der Herstellung von Sicherheit an übergeordnete Stellen andererseits nur wirksam entgegengewirkt werden kann, wenn diesbezüglich generell ein Umdenken und eine Sensibilisierung dahingehend einsetzt, dass sie ein öffentliches Gut ist, dass alle Menschen in unserer Stadt ein Recht auf ein friedliches Zusammenleben haben und an Stelle von passivem Verhalten Mechanismen und Fähigkeiten eines produktiven Umgangs mit Unsicherheit im städtischen Raum entwickelt und gestärkt werden.

Wichtige Voraussetzungen für das Projekt sind die Erhebung der Datenlage in Graz bezogen auf das ausgewählte Gebiet, die Vernetzung mit allen ExpertInnen, die Auswahl von zwei Siedlungsgebieten, um eine repräsentative Studie anhand der geplanten Befragungen der BewohnerInnen in ihrem Wohn- und Lebensumfeld einschließlich einer zielgruppenspezifischen Differenzierung durchführen zu können. Wichtige Zwischenergebnisse des Projekts sind für uns dann gegeben, wenn es uns gelingt, Partizipationsmöglichkeiten für die Menschen vor Ort zu entwickeln, sie zu motivieren, aktiv einen Beitrag zur Hebung des subjektiven Sicherheitsgefühls beizutragen und wenn letztendlich spürbare Veränderungen zur Verbesserung ihrer Lebensqualität durch kleine Maßnahmen nachweisbar sind. Die Studie soll in der Folge jedoch auch als Grundlage für die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen aussagekräftig sein, Handlungsbedarf signalisieren und letztendlich zu konkreten Präventionsmaßnahmen in einem breiten Netzwerk führen.

Projektdaten:

  • Projektbeginn Mai 2010

  • Projektdauer: 2 Jahre

  • Projektpartner

    • Friedensbüro der Stadt Graz,

    • Institut für Arbeitsmarktbetreuung und –forschung (IFA)

    • GEFAS Steiermark – Akademie für Generationen

Materialien und Downloads:


Projektbericht HASIF Siedlungsbetreuung Graz-Eggenberg

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pdf, 1,7M, 27-05-2013